Sollte der Vorgesetzte seine Erwartungen überdenken? Die Vorgaben nochmals klar kommunizieren? Nach Problemen fragen und Verständnis zeigen? Aufgaben umverteilen? Auf Besserung vertrauen? Engmaschig kontrollieren und den Druck erhöhen? Oder sollte er den Mitarbeitenden verwarnen und sich von ihm trennen?
Eine pauschale Lösung gibt es nicht. Stattdessen müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, um die beste Vorgehensweise zu wählen. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Vorgesetzter aus Angst, die Harmonie zu stören, die Wahrheit verschweigt, verschärfen sich die Probleme.
Übermäßig freundliche Chefs wirken oft anbiedernd, während allzu nachsichtige Führungskräfte leicht ihre Durchsetzungskraft verlieren. Autoritäre Vorgesetzte erzeugen unbewusst häufig ein Klima der Angst.
Die eigentliche Führungsaufgabe besteht also darin, das eigene Verhalten situativ anzupassen. In meinen Seminaren erlebe ich häufig, dass Führungskräfte damit Schwierigkeiten haben. Oft fehlt die Zeit, sich intensiv mit der Situation und den Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Und wenn sie es doch tun, sind sie unsicher, was jetzt wirksam sein könnte oder trauen sich nicht, eine klare Linie zu fahren. Hier einige hilfreiche Impulse dazu:
1. Eigenverantwortung fördern
Mitarbeitende lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen: eigenverantwortliche und stark führungsbedürftige. Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, alle seien gleichermaßen leistungsbereit. Wenn alle gleich behandelt werden, irritiert das die Verantwortungsbewussten und verstärkt das verantwortungslose Verhalten der anderen. Führungskräfte müssen klar differenzieren: Eigenverantwortliche Mitarbeitende verdienen Vertrauen, viel Freiraum und interessante Aufgaben. Stark führungsbedürftige Mitarbeitende fühlen sich oft mit Routinetätigkeiten wohler und schätzen eine enge, detaillierte Führung, die ihnen wenig Verantwortung abverlangt.
2. Klare Orientierung geben
Führungskräfte sind sich ihrer eigenen Ziele und Werte oft nicht sicher und können deshalb auch ihren Mitarbeitenden keine klare Orientierung geben. Doch Mitarbeitende erwarten von ihrem Vorgesetzten, dass er eindeutig sagt, wohin es gehen soll und was von ihnen erwartet wird. Diese Klarheit ist notwendig, damit sie ihr Handeln auf die gemeinsamen Ziele ausrichten können. Besteht Unklarheit, wenden sich Mitarbeitende informellen Leadern zu oder tun das, was ihnen am meisten Spaß macht. Führungskräfte sollten daher zuerst für sich selbst definieren, worin ihre Führungsaufgabe besteht, wie sie ihre Rolle ausfüllen wollen und wohin die gemeinsame Reise gehen soll.
3. Konsequente Führung
Leistungsschwankungen sind ganz normal. Kommt das öfter vor oder über eine einen längeren Zeitraum dürfen Führungskräfte das nicht ignorieren, sondern müssen es zeitnah und direkt ansprechen. Konsequente Führung bedeutet, von den Mitarbeitenden Verbesserung und Lösungen einzufordern, so dass sie ihre Aufgabe gemäss den Erwartungen erledigen. Wer hier nachsichtig ist, schadet dem Mitarbeitenden, der in seiner Entwicklung stagniert, schadet sich selbst, weil er den Respekt des Teams verliert, und schadet der Organisation, weil er nicht wirtschaftlich handelt. Wenn ein Mitarbeitender trotz kritischem Feedback wiederholt die verlangten Ergebnisse nicht liefert, müssen Konsequenzen folgen.
4. Leistung regelmässig prüfen
High Potentials in Unternehmen fordern oft viel, vergessen dabei aber zuweilen, welche Erwartungen an ihre Leistungen gestellt werden. Das kann teuer werden, denn bei unproduktiven High Potentials ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis am schlechtesten. Führungskräfte sollten daher bei High Potentials sehr genau prüfen, ob diese Mitarbeitenden die erwartete Leistung erbringen. Von hochqualifizierten Mitarbeitenden ohne Eigenantrieb muss man sich trennen.
5. Konflikte offen ansprechen
Nachsichtigkeit und inkonsequentes Verhalten haben Folgen. Werden zum Beispiel Konflikte nicht offen angesprochen und ausgetragen, gerät der Arbeitsalltag schnell zu einem Guerillakrieg, in dem Anschläge aus dem Hinterhalt mit unfairen Mitteln geführt werden. Deshalb sollten Konflikte frühzeitig – bereits im Anfangsstadium – angegangen werden. So bleiben sie auf der Sachebene und bieten gute Lösungschancen. Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden frühzeitig Rückmeldung geben, handeln zudem fair: Sie geben ihnen die Chance, sich weiterzuentwickeln.
6. Verantwortung abgeben
Mitarbeitende sind auch nur Menschen – und Menschen machen Fehler. Doch sie sollten den Fehler nicht wiederholen, dazu stehen und daraus lernen. Manche und versuchen jedoch, sich aus der Verantwortung zu stehlen, in der Erwartung, dass der Vorgesetzte sie vor den Folgen ihres Handelns schützt. Diese schützende Haltung signalisiert dem Mitarbeitenden: „Ich traue dir nichts zu und muss es selbst in die Hand nehmen.“ Das hält den Mitarbeitenden klein. Konsequente Führung ist hier entscheidend: Der Mitarbeitende muss die Verantwortung übernehmen und selbst Lösungen finden. Das ist für die Führungskraft herausfordernd und zeitintensiv, aber es legt die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und die Entwicklung des Mitarbeitenden.
7. Mitarbeitende gezielt fördern und fordern
Eine der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften ist es, die Leistung und Einstellung ihrer Mitarbeitenden stets im Blick zu behalten. Oft schaut der Vorgesetzte weg, weil es unbequem ist, die Leistung eines Mitarbeitenden einzufordern. Doch bei mangelnder Leistung muss die Führungskraft den betreffenden Mitarbeitenden freundlich an die Arbeitsvereinbarung „Leistung gegen Entgelt“ erinnern. Gleichzeitig setzen sich erfahrene Führungskräfte bewusst für die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden ein, auch wenn das bedeutet, dass diese das Unternehmen irgendwann verlassen werden.
8. Harmoniefalle vermeiden
In vielen Teams wird Harmonie höher bewertet als Ergebnisse. Das führt dazu, dass die einzelnen Mitarbeitenden gleichgeschaltet werden – keiner darf seine Stärken zeigen. So entstehen wechselseitige Abhängigkeiten, die jegliche Entwicklung verhindern und leistungsstarke Mitarbeitende abschrecken. Mittelmaß ist vorprogrammiert. Echte Solidarität im Team bedeutet: Es gibt ein gemeinsames Ziel, jeder gibt sein Bestes und fordert das auch von seinen Kolleginnen und Kollegen.
Wirksame Führung erfordert Mut, Klarheit und die Fähigkeit, flexibel auf unterschiedliche Situationen und Mitarbeitende einzugehen. Vorgesetzte, die sich trauen, ehrlich und konsequent zu handeln, fördern nicht nur die Leistung ihrer Mitarbeitenden, sondern stärken auch das Vertrauen im Team und schaffen eine Kultur des Wachstums. Führung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für die eigenen Entscheidungen, für die Entwicklung der Mitarbeitenden und letztlich für den Erfolg des gesamten Unternehmens. Nur wer bereit ist, diesen Weg zu gehen, kann langfristig erfolgreich führen und nachhaltige Ergebnisse erzielen.
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Herzlich
Claudia Buzzelli
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